Nächster Halt London: Auf Rock-Cruise mit der MS Hamburg

Seit einigen Jahren begibt sich eines der wohl kleinsten Kreuzfahrtschiffe Europas einmal im Jahr auf eine ganz außergewöhnliche Reise über Elbe, Nordsee und Themse, um zwei der spannendsten europäischen Rock-Metropolen miteinander zu verbinden. Unter dem Motto „Rock the Boat” geht es mit der MS Hamburg für gut 36 Stunden ins Herz von London.

PRESSEREISE Für den Ausblick aus der Kabine gibt es in diesem Moment genau einen Ausdruck: surreal. Einige Meter unter dem großen Bullauge glitzern die Lichter Londons auf dem Wasser der Themse, dahinter liegt mit dem berühmten Tower of London eine der legendärsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Wir sind nach den ersten Stunden zurück auf englischem Boden wieder an Bord, nach Pubfood an Land und dem letzten Drink des Tages zurück auf der MS Hamburg wieder in der Kabine auf Deck 2 angekommen und trauen unseren Augen irgendwie immer noch nicht. Festgemacht am Museumsschiff HMS Belfast mitten auf der Themse ist das kleine Plantours-Kreuzfahrtschiff für ganz kurze Zeit eins der wohl spektakulärsten Hotels der Stadt.

Dabei ist die Hamburg im Vergleich zu den hochmodernen schwimmenden Luxushotels größerer Reedereien ein ziemlicher Zwerg ‒ was letztlich genau der Grund ist, dass die Reise so spektakulär ausfällt. Anders als viele Schiffe, die in Hamburg ablegen, startet die Fahrt der Hamburg ein Stück elbaufwärts der Innenstadt ihrer Namensvetterin am Kreuzfahrtterminal Baakenhöft und damit direkt mit einigem Sightseeing, wenn das Schiff kurz vor Erreichen der Elbphilharmonie im Hafenbecken gedreht wird. Vorbei an den Ufern von Altona und Blankenese, vorbei am Alten Land und Cuxhaven geht es dann raus auf die Nordsee und ‒ ganz ohne Eile ‒ in Richtung Ärmelkanal.

Fotohighlights gibt es auf der Fahrt von Hamburg nach London ab der zweiten Kurve. Vom kleinen Terminal Baakenhöft steuert die MS Hamburg vorbei an Hafen und City. Foto: Felix

„Rock the Boat” auf der MS Hamburg: Konzerte für unterwegs

Die ersten zwei Nächte der Rock-Cruise und den Tag dazwischen verbringt man also komplett auf See. Was praktisch ist, weil so viel Zeit bleibt, das schnell ausgekundschaftete Schiff mit überschaubaren zwei Restaurants, einem kleinen Pool, einer Lounge mit Bühne und Weinbar so richtig zu genießen. Auf dem Sonnendeck mit seinen langen Sitzbänken rings um den kleinen Pool oder etwas schattiger auf den Liegestühlen eine Etage tiefer am Heck unterm Sonnensegel. Oder bei den Vorträgen und DJ-Einsätzen des Musikjournalisten Uwe Bahn, der inzwischen schon etliche musikalische Reisen zu so ziemlich jedem Musikgeschmack organisiert und dank dieses Umstands eine schier unerschöpfliche Menge an Anekdoten zu erzählen hat.

Der Reise der MS Hamburg, die Bahns Marke „Stars at Sea” gemeinsam mit dem Bremer Veranstalter Plantours organisiert, der die Hamburg vor knapp zehn Jahren von Hapag Lloyd übernommen hat und als einziges Hochseeschiff neben einigen Flusskreuzfahrtschiffen betreibt, verschreibt sich auf den ersten Blick ganz der Rockmusik. Das erkennt man nicht nur an Start und Ziel der Reise in den Städten, die erst die Beatles dann die Abbey Road Studios berühmt machten, sondern auch an der Livemusik an Bord. Eine norddeutsche Glamrock-Coverband, dazu die heutige Besetzung der in den 60ern bekannten deutschen Band The Lords, die heute als offiziell dienstälteste Rockband der Welt einfach mal eben die Rolling Stones in den Schatten stellen.

Die ersten zwei Nächte auf der MS Hamburg sowie den gesamten ersten Tag ist das Schiff auf der Nordsee Richtung Themse unterwegs. Am nächsten Vormittag geht es dann ganz langsam auf die Hauptstadt zu. Foto: Felix

Mit der MS Hamburg nach London: Musik und Sightseeing

Doch das unbestrittene Highlight ist die Hauptattraktion der Reise. Schon vom Wasser aus, in der locker anderthalb Stunden dauernden Anfahrt auf die Stadt, formiert sich London mit seinen Wolkenkratzern und Wahrzeichen und den vielen Schleifen der Themse immer wieder neu, was die Anfahrt per Schiff wohl zu einem der faszinierendsten Wege in die englische Metropole macht. Unbestrittenes Highlight: Die historische Tower Bridge muss erst für den Auto- und Fußgängerverkehr gesperrt und dann hochgezogen werden, um die ganz langsam und behutsam fahrende MS Hamburg im Schlepptau mehrerer Londoner Hafenschlepper durchzulassen. Bis das Schiff dann am Liegeplatz neben den gigantischen Fendern der HMS Belfast festgemacht ist und die Gäste nach Passkontrolle durch die Grenzpolizei von Bord dürfen, geht locker noch eine gute Stunde Zeit ins Land.

Wenn das London-Abenteuer dann endlich losgeht und das ständig pendelnde Uber Boat die Gäste ans Nordufer des Flusses befördert, gibt es einige geführte Ausflüge zur Auswahl. Eine Tour führt durch das von Street Art durchzogene alternative Viertel Camden Town, in dem Amy Winehouse Musikgeschichte schrieb, eine andere auf die Spuren der Beatles, eine weitere für alle die es ganz genau wissen wollen in die gesamte Rockgeschichte der britischen Hauptstadt zwischen Hyde Park und Royal Albert Hall. Wer lieber individuell unterwegs ist, kann die Stadt ganz herrlich auch auf eigene Faust erkunden.

Wenn die geführte Rocktour einen schonmal hin bringt: Auf dem weltberühmten Abbey Road Zebrastreifen kann man durchaus einen Fotostop einlegen – auch wenn man mit dem Vorhaben selten allein ist.

36 Stunden London mit der MS Hamburg: Meine Lieblingsorte

Unser Weg etwa führte uns in die gemütlichen und lebhaften Pubs an beiden Themseufern, auf den quirligen Borough Market Streetfood-Markt und ins hippe Soho, wo ich spontan die Gelegenheit nutzte, endlich der Cupcake-Manufaktur Crumbs & Doilies einen Besuch abzustatten, auf deren Rezepte in unserem Haushalt seit Jahren Verlass ist. Auch ein Besuch eines West End Theaters wäre dank der Tender-Verbindung zur MS Hamburg bis 2 Uhr morgens problemlos möglich gewesen. Wer es lieber klassisch mag, ist über die London, Southwark oder Millenium Bridge in wenigen Minuten zu Fuß am berühmten wiederaufgebauten Globe Theatre, in dem (auf den Stehplätzen nach wie vor für kleines Geld) Shakespeare-Klassiker gespielt werden.

Oder man entscheidet sich doch für die geballte Ladung Sightseeing, fährt nach einem kurzen Abstecher zum Tower mit der U-Bahn ein Stück in Richtung Stadt und nutzt den frisch rausgeputzten Big Ben, Westminster Abbey, Buckingham Palace und Co. als Fotomotive, die unter schönstem Londoner Sommerhimmel gleich ein wenig unwirklicher wirken. Einige meiner historischen Lieblingsstadtteile im Zentrum der Stadt sind außerdem das geheimnisumwitterte Temple unweit der Fleet Street (Grüße von Sweeney Todd!) sowie auf der anderen Flussseite die schmalen Gassen von Southwark, wo man auf Kunst- und Lichtinstallationen sowie berühmte literarische Schauplätze, etwa eine historische Treppe aus Charles Dickens’ Oliver Twist, trifft.

Wer die MS Hamburg nach London nimmt, kann sich statt geführten Touren in einer der aufregendsten Städte Europas auch auf eigene Faust auf Erkundungstour machen. Foto: Sandra

Abschied von London auf der MS Hamburg: Pink Floyd aus den Lautsprechern

Bereits nach zwei Abenden in London ist dann auch schon wieder der Zeitpunkt für den Abschied gekommen, den die Stadt und die Crew der MS Hamburg einem aber kaum faszinierender gestalten könnten. Vor dem wie unwirklich blau schimmernden Himmel der blauen Stunde wurden auf unserer Fahrt im Juli 2022 die Leinen gelöst, die MS Hamburg ging langsam auf Abstand zur HMS Belfast, um kurze Zeit später mit aus den Lautsprechern wummernden Pink Floyd Balladen erneut die Tower Bridge zu passieren und die Stadt über die Schleifen der Themse hinter sich zu lassen und wieder für einen Tag und zwei Nächte auf See einfach nur zu einem kleinen, etwas in die Jahre gekommenen, schwimmenden Hotel zu werden. Und passenderweise auch zum Rockclub, auf dessen Bühne die Riffs von Musiklegenden und Jahrzehnte der Rockgeschichte ganz nah kommen.

Am letzten Morgen, dem Tag des Ausschiffens in Hamburg, zog als erster Eindruck des Tages hinter dem Bullauge unserer Kabine also das Airbus-Werk in Finkenwerder vorbei, vor leicht diesigem Hamburger Himmel, der allen Londoner Klischees in nichts nachstand. Und ein klein wenig unwirklich als kurze Zeit später, Frühstückscroissant und schwarzen Kaffee vor der Nase, erneut die Elbphilharmonie in genau dem Winkel auftauchte, in dem bis vor kurzem noch eine der berühmtesten Festungsanlagen der Welt gestanden hatte, fast als wäre der Kurztrip nur ein schöner und irgendwie wirklich abgefahrener Traum gewesen. Aber die Hamburg und ihre Mitreisenden haben nicht geträumt… Am Abend verlässt die MS Hamburg ihre Namensvetterin wieder, diesmal mit Ziel auf die Kanalinseln, die ebenfalls auf nur wenigen Kreuzfahrtrouten vorkommen. Doch für die besonderen Schiffe wie sie, klein und kompakt, gehören Herausforderungen zum Tagesgeschäft.

Die MS Hamburg liegt in London direkt hinter der Tower Bridge gegenüber des Tower of London. Nur die wenigsten Schiffe, die die englische Hauptstadt anlaufen, kommen auf der Themse so nah an die Stadt. Foto: Felix

Von London nach Hamburg auf der MS Hamburg: Unvergessliche Mini-Kreuzfahrt

Für mich persönlich war die Fahrt mit der MS Hamburg übrigens nach einer Produkteinführung einer großen US-Reederei Ende 2019 die zweite kurze Reise auf einem Kreuzfahrtschiff ‒ und damit trotz ähnlicher Strecke eine echte Kontrasterfahrung. Das 1995 gebaute Schiff gehört zu den kleinsten seiner Art und ist damit um einiges ruhiger und entspannter unterwegs als viele der großen Schiffe mit Shoppingzeile, Casino und dutzenden Restaurants. Und auch wenn ihr Alter es den Betreibern der MS Hamburg sicher nicht einfach macht, zum Vorreiter in Sachen nachhaltiger Kreuzfahrt-Tourismus zu werden, sind mir einige Aspekte und Bemühungen positiv aufgefallen. Und vor allem im Bereich Lebensmittelverschwendung können die großen Schiffe sich von der Hamburg tatsächlich was abschauen.

Fazit: Meine liebste Art zu Reisen werden Kreuzfahrtschiffe nicht, dazu bin ich zu ungern mit hunderten oder gar tausenden Menschen auf so engem Raum und sehe auch trotz der Vorstöße vieler Reedereien den Umweltfaktor nach wie vor kritisch ‒ zumal sich vor allem viele Passagier:innen auch wenig um Nachhaltigkeit an Bord zu interessieren scheinen. Doch das sympathische Schiff und die einmalige Route waren trotzdem eins meiner absoluten Pressereise-Highlights im Jahr 2022. Wie steht ihr zu dem Thema?

Die Pressereise wurde unterstützt von Plantours.

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